Samstag, 3. August 2024

Gesellschaftsanalyse

Das Zusammenleben der Menschen zu bewerten und einzuschätzen, ist gar nicht so schwer. Jeder kann damit anfangen zu sagen, was einem nicht gefällt in der Gesellschaft und was man gut findet. Danach kann es in die Einzelheiten gehen und wir können alle Einzelbereiche in der Gesellschaft auflisten und wie wir da die Zustände sehen. 

Trotzdem, obwohl Gesellschaftsanalyse gar nicht so schwer ist, halten sich viele Personen diesbezüglich zurück und äußern sich nicht, wie sie den Zustand in der Gesellschaft bewerten. Sie tun es nicht, weil sie nicht wollen, dass andere, Fremde sehen, wie man die Gesellschaft bewertet und sie wollen sich lieber bedeckt halten, damit man mit Personen, die die Lage anders einschätzen, nicht aneinander gerät.

Schon bei der einfachen Beschreibung der Gesellschaft, ob man sie gut organisiert und angenehm findet, können sich massive Unterschiede in den Bewertungen offenbaren. Die einen haben nichts auszusetzen an den Verhältnissen und was andere schlecht in der Gesellschaft finden, sehen diese als vernachlässigbar und unbedeutend an. Geht man dann in die Einzelheiten, kann sich dieser Umstand wiederholen und die einen können sich fürchterlich aufregen, weil sie dieses und jenes schlecht organisiert finden und andere sehen das gar nicht so und sind mit den Verhältnissen einverstanden. 

Im Grunde ist diese Einschätzungssituation die Grundlage für das Entstehen von Interessensgruppen. Jede Interessensgruppe betont ihre eigene Sichtweise und diese unterscheidet sich von den Einschätzungen anderer Interessensgruppen.

Wenn ein Analyst oder eine Analystin die Verhältnisse in totalitären Staaten beschreibt, dann heißt es, dort seien die Medien gleichgeschaltet. Diese würden nur positiv und im Sinne der Herrschenden berichten. Und sie erwähnen, dass dieses auch für die Justiz zuträfe. Auch diese würde nur zugunsten der Regierenden ihre Urteile fällen und die Anliegen der Bevölkerung missachten. Außerdem gäbe es in diesen Staaten aggressive NGOs, die zugunsten der Herrschenden Bevölkerungsgruppen angreifen, die es wagen, die Herrschenden zu kritisieren und loswerden wollen. 

Aber ist diese Charakterisierung nicht auch für viele demokratische Länder zutreffend. So dass diese in Wirklichkeit auch totalitär sind?

Gesellschaftsanalyse hat immer auch etwas mit der Brille zu tun, die der Einzelne gerade auf hat und man sieht nur, was einem durch diese Brille möglich ist. 

Einer dieser Analysten sagt zurecht, wir Menschen nehmen immer das besonders wichtig, was uns selbst betrifft und gerade in unserer jetzigen Situation von Bedeutung erscheint. 

So kann es passieren, dass Menschen bei der Beschreibung der Gesellschaft nicht auf die Idee kommen, über die Armut im Land zu reden, weil sie diese nicht an sich selbst wahrnehmen und nicht von diesem Thema betroffen sind. Und so kann es mit vielen anderen Themen ähnlich ablaufen, dass Personen solche besonders wichtig erachten und andere nicht einen Funken Interesse dafür entwickeln, weil diese eben in ihrem Leben keine Rolle spielen.

Deshalb spiegelt Gesellschaftsanalyse auch die eigene Sicht auf die Verhältnisse und muss nicht identisch sein mit derjenigen, des Mitbürgers. 

Andererseits lässt sich die Frage stellen, warum haben wir nicht dieselbe Sicht auf die Gesellschaft, sodass wir gemeinsam am gleichen Strang ziehen und dieselben Anliegen haben. Sollten wir das nicht anstreben?

Denn wenn heute ständig andere Interessensgruppen herrschen, die jeweils nur ihre eigenen Interessen im Blick haben und jene der Mitmenschen missachten, dann haben wir doch keine erstrebenswerte Gesellschaften vor uns.

Warum können wir die Gesellschaften nicht so gestalten, dass immer die Anliegen aller Bürgerinnen und Bürger Berücksichtigung finden? Die übliche Antwort darauf ist, weil wir gegenläufige Interessen hätten, die eine gemeinsame Gestaltung des Lebens erschweren oder unmöglich machen.

Nehmen wir die Verfassung, die sich Menschen geben, in einem Einzugsgebiet und die für alle Bewohner in diesem gelten soll. Die Verfassung formuliert z.B. eine Gleichheit der Bewohner und wir können dies den Idealzustand in Gesellschaften nennen. Die Realität kann aber so sein, dass sie nicht der Beschreibung in der Verfassung entspricht. 

Aber was heißt das genau. 

Zum Beispiel: Durch Schiffbruch ist eine Gruppe von Menschen auf eine Insel gelangt. Alle sind eigentlich gleich in ihren Rechten und Möglichkeiten. Wenn die Gruppe jetzt entscheidet ein Haus zu bauen, dann haben einige diese Idee eingebracht und andere erweisen sich beim Hausbau geschickter als andere und andere sind mehr Zuträger und Helfer und welche sind Entscheider und Planer und es fügt sich natürlich, wie die Ordnung unter diesen Menschen sich entwickelt. Eine Verfassung, die das regelt, wird nicht gebraucht.

Wir haben einmal ideale Beschreibungen unserer Gesellschaften, die sich in Verfassungen ausdrücken und wir haben die Realität des Zusammenlebens, wie wir es tagtäglich erleben. Beides muss nicht zusammenpassen. Das eine wird angestrebt, das andere ist der Ist-Zustand.  

Und dann gibt es Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen. Neue Entwicklungen kommen in Anwendung, oder das Gegenteil, wir schreiten zurück, nennen es Restauration, wollen wieder die alten Regeln und Gesetze anwenden. Vielleicht, weil wir den neuen Zuständen nicht trauen oder sie nicht annehmen wollen.

Gesellschaftsanalyse kann sehr subjektiv ausfallen oder objektiv. Was wäre objektiv? Wenn wir sowohl das Recht auf Selbstbestimmung für alle Menschen uns vorstellen wollen und unterstützen, aber ebenso der Realität ins Auge blicken, wenn die Personen im Einzelnen dies nicht im vollen Umfang umsetzen.

Die Gesellschaftsgestaltung ist sicherlich unser aller Angelegenheit. Die Verfassungen vieler Staaten sehen dieses vor. Und es gibt einen ständigen Wettstreit um das, was richtig ist, für uns alle. Ein Zugang, um die eigenen Positionen und Sichtweisen darzulegen, ist die Gesellschaftsanalyse.